Europäische Kulturhauptstadt
– Der Bewerbungsprozess Hildesheims. Kulturhauptstadt – Warum?
[Baustellengeräusche]
Eva: Okay. Jetzt ist die Aufnahme gestartet.
Caro: Sehr schön.
Eva: Ja. Ähm, wir sind hier vor dem Projektbüro Hildesheim 2025. Hier brodelt die Schmiede der Bewerbung Hildesheims zur Europäischen Kulturhauptstadt. Und wir haben hier Carolin Hochleichter, die das Ganze als künstlerische Leiterin in diesen finalen letzten Schritt gebracht hat. Und Caro ist halt vor allem auch die künstlerische Leitung vom transeuropa 2003 gewesen. Carolin! Aus deiner Perspektive: Erzähl mal. Was passiert hier eigentlich? Was ist dieses... Kulturhauptstadt-Bewerbung?
Caro: Also irgendwann 2015 hat sich die Stadt Hildesheim nach dem Stadtjubiläum überlegt: Wir brauchen jetzt mal ein nächstes großes Ziel, dem wir vorangehen können. Und da ist ihnen eingefallen, dass sie sich mal als Kulturhauptstadt 2025 bewerben könnten. Das ist ja so, dass von. der EU immer die Länder ausgerufen sind - also man weiß zum Beispiel: In 2025 wird es eine Stadt in Deutschland sein und eine in Slowenien. Und dann können alle Städte aus den Ländern sich jeweils überlegen, ob sie Lust haben, sich zu bewerben. Und Hildesheim hat sich damals dafür entschieden! Dann haben meine Kollegen vor vier Jahren angefangen, diesen Bewerbungsprozess zu starten. Ah, und wichtig ist noch, das ist eigentlich ganz schön, finde ich, an dem ganzen Prozess: Dass die Initiative tatsächlich von den Bürgern kam. Dieser Freundeskreis hat sich dann ganz früh schon gegründet und hat quasi die Initiative ergriffen und den ganzen Prozess von Anfang so angetreten.
[Baustellenlärm und vorbeifahrende Autos]
Caro: Ich finde das eigentlich ganz schön, dass die so einen Tag vor der Entscheidung hier alles nochmal neu machen.
Eva: [lacht] Ja.
Caro: Ja, neue Leitung oder sowas, kann nicht schaden.
[Straßenlärm wird lauter]
Eva: Heute war nämlich vor allem auch der letzte Schritt in diesem ganzen Bewerbungsdingens, die Jury-Präsentation.
[Wackeln eines Gerüstes, Sirene im Hintergrund]
Eva: Und da haben ja du und ich quasi, in verschiedenen Funktionen, die Stadt Hildesheim und die Kulturszene repräsentiert und in einer Präsentation der europäischen Jury vorgestellt. Das war ganz schön aufregend! Und ich bin mega erleichtert, dass wir das hinter uns haben. Aber es hat auch echt Bock gemacht. Wie fandest du's?
Caro: Ja, ich hab echt lange so etwas aufregendes gemacht. Ich finde es außergewöhnlich und auch ehrlich gesagt schräg [Sirenen werden zunächst lauter, stoppen dann] an diesem ganzen Kulturhauptstadt-Prozess, dass das ja ein Wettbewerb ist und ich finde Wettbewerb, ehrlich gesagt, ein vollkommen wahnwitziges, bescheuertes Konzept und dementsprechend finde ich auch eh die Idee, dass da jetzt so ein Gewinner ermittelt wird, echt irgendwie eigentlich das total falsche Signal, für Kunst und Kultur und ich war dann erstaunt, eigentlich im Prozess zu merken, wie man doch davon angesteckt wird. Also ich wurde total davon angesteckt, dass man irgendwie diesen Druck hat, das man so alles geben muss.
[Straßenmusik im Hintergrund]
Emma: Ich hatte auch voll das Gefühl dass... also am Anfang hab ich mir das auch angeguckt und gedacht... also bin immer skeptischer gegenüber diesem Konzept der Kulturhauptstadt geworden und hatte auch Seminare dazu belegt und so, aber es hat dann irgendwie so 'ne Fußballvereinseuphorie eröffnet, so „JA HILDESHEIM!“. So. Das ist irgendwie... also Wettbewerb, finde ich, macht es leichter, sich damit zu identifizieren, als wenn es so ein krasses; also wenn es so ein reines Theoriegebäude, -gebilde bleiben würde.
[Straßenmusik wird lauter, spielt „Hey Jude“ auf Saxophon]
Caro: Total. Und das fand ich auch einen der irgendwie berührendsten Aspekte daran, dass ich immer das Gefühl hatte, ich hab ja erst im Januar 2020 angefangen da mitzuarbeiten. Und es gab schon so viele Leute, die da so dran geglaubt haben und eben sich so damit identifiziert haben und auseinandergesetzt haben und auch alle für sich immer fanden so, sie haben da ihr Interesse und ihren Anspruch und sie wollen das unbedingt.
Eva: Ja, ähm, boah. Jetzt ist hier gerade ein bisschen Straßenmusik.
Caro: Schön!
Eva: Lasst uns mal erstmal dran vorbei gehen.
Epilog: Hildesheim wurde nicht ausgewählt, den Titel „Europäische Kulturhauptstadt“ zu tragen. Trotzdem läuft die Zusammenarbeit zwischen dem Kulturhauptstadtbüro und dem transeuropa [X] weiter: am 30.05.2021 wird es ein gemeinsam organisiertes, öffentliches Panel geben, in dem künstlerische Leiter*innen aller vergangenen transeuropaausgaben ins Gespräch kommen!